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Newsletter November 2024

Sehr geehrte Leserin,

sehr geehrter Leser,

sehr geehrte Mandanten,

im Folgenden die im November veröffentlichten gerichtlichen Entscheidungen. Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Gliederung: 

§ 1 Arbeitsrecht

1. Lage der gesetzlichen Ruhepause

BAG, Urt. v. 21.08.2024 – 5 AZR 266/23

2. Keine Vergütungspflicht für Zeiten von Corona-Tests,

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urt. v. 06.09.2024 – 14 Sa 348/23

3. Briefwahl bei Homeoffice und Kurzarbeit?

BAG, Beschl. v. 23.10.2024 – 7 ABR 34/23

4. Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO bei Nichterfüllung des Auskunftsanspruches nach Art. 15 DSGVO

5. Kündigung aufgrund einer Fahrerlaubnisentziehung,

BAG, Urt. v. 20.06.2024 – 2 AZR 134/23

6. Wegeunfall beim Abholen von Arbeitsschlüsseln nach privatem Wochenendausflug möglich,

BSG, Urt. v. 26.09.2024 – B 2 U 15/22 R

7. Teilzeitverlangen während der Elternzeit und entgegenstehende betriebliche Gründe,

BAG, Urt. v. 05.09.2023 – 9 AZR 392/22

§ 2 Verkehrsrecht

1. Gewährleistungsrecht bei Gebrauchtwagenkauf,

BGH, Urt. v. 10.04.2024 – VIII ZR 161/23

2. E-Auto: Blockiergebühr,

AG Karlsruhe, Urt. v. 04.01.2024 – 6 C 184/23

3. 50 % – Haftung bei einem Unfall zwischen Auto und Motorrad,

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urt. v. 16.04.2023 – 7 U 91/23

§ 3 Notariat

1. Beschaffenheitsvereinbarung: Mieterliste als Anlage zum Kaufvertrag; Vermietbarkeit einer bestimmten Anzahl von Wohneinheiten als Beschaffenheit,

OLG Naumburg, Urt. v. 06.11.2023 – 12 U 84/23

2. Teilungsversteigerung nur bezüglich eines Grundstücks im Rechtssinne,

BGH, Beschl. V. 26.09.2024 – V ZB 8/24

3. Umdeutung eines unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament,

OLG Celle, Beschl. V. 14.03.2024 – 6 W 106/23

4. Anforderungen an die Versicherung des Liquidators bei der Anmeldung des Liquidators einer GmbH,

BGH, Beschl. V. 24.09.2024 – II ZB 15/23

§ 1 Arbeitsrecht

1. Lage der gesetzlichen Ruhepause,

BAG, Urt. v. 21.08.2024 – 5 AZR 266/23

Das Arbeitszeitgesetz hat in § 4 S. 1 geregelt, dass die Arbeit durch „im Voraus feststehende Ruhepausen“ von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen ist. Unklar war bislang, was unter „im Voraus feststehende Ruhepausen“ zu verstehen ist. Hierzu hat sich nunmehr das Bundesarbeitsgericht in seiner oben genannten Entscheidung geäußert. In dem Leitsatz heißt es wie folgt: Verlangen betriebliche Erfordernisse eine flexible Festlegung der Pausen, ist der in § 4 Satz 1 ArbZG vorgesehenen Anforderung „im Voraus feststehend“ auch dann genügt, wenn der Arbeitnehmer jedenfalls zu Beginn der Pause weiß, dass und wie lange er nunmehr zum Zwecke der Erholung die Pause hat und frei über die Nutzung dieses Zeitraums verfügen kann.

2. Keine Vergütungspflicht für Zeiten von Corona-Tests,

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urt. v. 06.09.2024 – 14 Sa 348/23

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in Hannover musste sich mit der Frage beschäftigten, ob Zeiten für durchgeführte Corona-Tests als vergütungspflichte Arbeitszeit zu bewerten sind. Das Gericht hielt die Zeiten für die Durchführung von Corona-Selbsttest durch den Arbeitnehmer eines ambulanten Pflegedienstes nicht für vergütungsfähige Arbeitszeit. Hier habe der Arbeitgeber nicht aufgrund des ihm zustehenden Direktionsrechtes die Weisung gegeben Corona-Selbsttests durchzuführen, vielmehr erfolgte dies aufgrund staatlicher Vorgaben, weshalb hierfür keine Vergütung für erbrachten Arbeiten zu zahlen sei.

3. Briefwahl bei Homeoffice und Kurzarbeit?

BAG, Beschl. V. 23.10.2024 – 7 ABR 34/23

In dem vorliegenden Fall musste sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage auseinandersetzen, ob die Briefwahl bei Arbeitnehmern, die im Homeoffice arbeiten oder sich in Kurzarbeit befinden, möglich sei. Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass der Wahlvorstand für die Wahl des Betriebsrats denjenigen Arbeitnehmern, von denen ihm bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl wegen vorrübergehender mobiler Arbeit oder wegen Kurzarbeit voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden, die Unterlagen für eine schriftliche Stimmabgabe ohne einen entsprechenden Antrag übersenden kann. Unklar war im vorliegend Fall jedoch, ob der Wahlvorstand bezüglich der betroffenen Arbeitnehmer wusste, dass sie im Wahlzeitraum wegen Unabkömmlichkeit ihre Tätigkeit im Betrieb verrichteten. Dies muss nunmehr weiter aufgeklärt werden.

4. Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO bei Nichterfüllung des Auskunftsanspruches nach Art. 15 DSGVO

BAG, Urt. v. 20.06.2024 – 8 AZR 91/22

In seiner Entscheidung wies das Bundesarbeitsgerichtes nochmals darauf hin, dass ein Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO allein wegen der Nichterfüllung des Auskunftsanspruches nach Art. 15 DSGVO nicht bestehe. Der verletzte Arbeitnehmer muss vielmehr im Prozess substantiiert darlegen, dass bei ihm ein immaterieller Schaden entstanden ist. 

Die Hürden hierfür sind recht hoch und meist kaum zu erfüllen. Jedem Arbeitnehmer steht nach Art. 15 DSGVO gegenüber dem Arbeitgeber ein Auskunftsanspruch dahingehend zu, welche Daten seitens des Arbeitgebers über ihn – gemeint ist der Arbeitnehmer – gespeichert werden. Erfüllt der Arbeitgeber diesen Auskunftsanspruch nicht fristgerecht, steht ihm laut dem Gesetz ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO zu. Den entstandenen Schaden muss dann jedoch wiederum der Arbeitnehmer nachweisen. Eine Vermutung hierfür besteht nicht.

5. Kündigung aufgrund einer Fahrerlaubnisentziehung,

BAG, Urt. v. 20.06.2024 – 2 AZR 134/23

Wird eine Kündigung auf einen Eignungs- oder Befähigungsmangel gestützt, ist diese nur verhältnismäßig, wenn der Eignungs- oder Befähigungsmangel nach einer vorzunehmenden Prognose nicht in einem vertretbaren Zeitraum behoben werden kann. Im Falle einer entzogenen Fahrerlaubnis ist dabei entscheidend, dass bei Zugang der Kündigung mit der Erteilung einer neuen Erlaubnis in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.

6. Wegeunfall beim Abholen von Arbeitsschlüsseln nach privatem Wochenendausflug möglich,

BSG, Urt. v. 26.09.2024 – 5 AZR 266/23

In einer Pressenachricht vom 26.09.2024 teilte das Bundesarbeitsgericht mit, dass ein Arbeitsunfall vorliegen könne, wenn eine Beschäftigte nach einem privaten Wochenendausflug auf dem Weg zu ihrer Wohnung verunglücke, weil sie dort Arbeitsschlüssel und -unterlagen vor Arbeitsantritt abholen wollte.

7. Teilzeitverlangen während der Elternzeit und entgegenstehende betriebliche Gründe,

BAG, Urt. v. 05.09.2023 – 9 AZR 329/22

Grundsätzlich kann jeder einen Teilzeitantrag stellen, auch während der Elternzeit. Der Arbeitgeber kann diesen Antrag nur zurückweisen, wenn betriebliche Gründe diesem Teilzeitbegehren entgegenstehen. Grundsätzlich trägt hierfür der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Dies ist in der Praxis für den Arbeitgeber sehr schwer. Bei betriebsbedingten Kündigungen gibt es für den Arbeitgeber Erleichterungen für das betriebliche Erfordernis, wenn es einen Interessenausgleich mit Namensliste gibt. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 5 KSchG. Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer während der Elternzeit diesen Teilzeitantrag gestellt. Ebenfalls stand er auf einer solchen Namensliste. Die Kündigung ging nicht durch, weil die zuständige Behörde die Zustimmung zur Kündigung nicht erteilte. Bezüglich des entgegenstehenden betrieblichen Grundes berief sich der Arbeitgeber darauf, dass es einen Interessenausgleich mit Namensliste gebe, auf der auch der Arbeitnehmer stehe. Man berief sich insoweit auf die Beweiserleichterung des § 1 Abs. 5 KSchG. Dieser Argumentation folgte das Bundesarbeitsgericht jedoch nicht. § 1 Abs. 5 KSchG finde bei einem Teilzeitbegehren keine analoge Anwendung. Die Erleichterungen bzw. Vermutungen blieben auf betriebsbedingte Kündigungen beschränkt. Damit ging das Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers durch.

§ 2 Verkehrsrecht

1. Gewährleistungsrecht bei Gebrauchtwagenkauf,

BGH, Urt. v. 10.04.2024 – VIII ZR 161/24

Vereinbaren die Parteien eine ausdrückliche oder stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung, umfasst ein ebenfalls vereinbarter Gewährleistungsausschluss nicht die vereinbarte Beschaffenheit. Der Gewährleistungsausschluss erfasst nur Mängel, wenn die gekaufte Sache sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet oder wenn sie eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann. Vorliegend hatten die Parteien die einwandfreie Funktionsfähigkeit einer Klimaanlage in einem 40-Jahre alten Wagen vereinbart. Trotz des Alters des Wagens und eines etwaigen Verschleißes geht das Gericht bei der vorliegenden Vereinbarung von einer Beschaffenheitsvereinbarung aus, die von einem etwaigen Gewährleistungsausschluss trotz des Alters nicht erfasst ist.

2. E-Auto: Blockiergebühr,

AG Karlsruhe, Urt. v. 04.01.2024 – 6 C 184/23

Das Amtsgericht Karlsruhe hatte vorliegend die Rechtmäßigkeit einer Vereinbarung einer sogenannten Blockiergebühr bejaht, die anfällt, wenn ein E-Fahrzeug länger als vier Stunden an der Ladestation steht.

3. 50 % – Haftung bei einem Unfall zwischen Auto und Motorrad,

Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht, Urt. v. 16.04.2023 – 7 U 91/23

Im vorliegenden Fall überholte ein Motorradfahrer einen Rettungswagen. Hierzu beschleunigte er das Motorrad über die zulässige Geschwindigkeit. In der Gegenrichtung kam ein Pkw, der nach links abbiegen wollte. Bei diesem Unfall verlor der Motorradfahrer sein Leben. Der Motorradfahrer war mit einer Geschwindigkeit zwischen 109 und 124 km/h unterwegs. Der Unfall ereignete sich außerorts. Die zulässige Geschwindigkeit betrug 50 km/h. Das Oberlandesgericht urteilte vorliegend eine hälftige Haftungsquote aus. Zwar sei der Motorradfahrer mit erheblich höherer Geschwindigkeit gefahren. Vorliegend treffe jedoch auch dem abbiegenden Pkw ein Verschulden. Der abbiegende Fahrer muss seine Geschwindigkeit einschätzen können und darf nicht einfach davon ausgehen, dass andere Verkehrsteilnehmer sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten.

Die Rechtsprechung ging bislang in solchen Konstellationen von einer alleinigen Haftung des zu schnell fahrenden Verkehrsteilnehmers aus. Das Oberlandesgericht begründete seine Entscheidung dahingehend, dass es sich vorliegend nicht um einen innerorts ereigneten Unfall handelte, sondern um einen Unfall außerorts.

Ob sich die vorliegende Rechtsprechung durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. 

§ 3 Notariat

1. Beschaffenheitsvereinbarung: Mieterliste als Anlage zum Kaufvertrag; Vermietbarkeit einer bestimmten Anzahl von Wohneinheiten als Beschaffenheit,

OLG Naumburg, Urt. v. 06.11.2023 – 12 U 84/23

Durch die Angabe der tatsächlichen Mieterträge in einer dem Kaufvertrag als Anlage beigefügten Mieterliste kann eine konkludente Vereinbarung insofern liegen, als die Vermietbarkeit einer bestimmten Anzahl von Wohneinheiten als Beschaffenheit vereinbart ist.

Tipp: Es sollte darauf geachtet werden, was in einem Kaufvertrag steht. Was man nicht als Beschaffenheitsvereinbarung haben will, sollte man auch konkret benennen um hier einer entsprechenden Auslegung bzw. Umdeutung entgegenzuwirken.  

2. Teilungsversteigerung nur bezüglich eines Grundstücks im Rechtssinne,

BGH, Beschl. V. 26.09.2024 – V ZB 8/24

Die Teilungsversteigerung findet nur statt in Bezug auf Grundstücke im Rechtssinne, die im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblattes unter einer besonderen Nummer eingetragen sind; die Teilungsversteigerung eines einzelnen Flurstücks als Teil eines aus mehreren Flurstücken bestehenden Grundstücks (sog. Zusammengesetzes Grundstück) ist ausgeschlossen.

Tipp: Grundsätzlich kann bei Bruchteilsgemeinschaften sowie bei Erbengemeinschaften jeder Miteigentümer sowie jeder Miterbe den Antrag auf Teilungsversteigerung beim Versteigerungsgericht stellen. Das Haus kommt dann umgangssprachlich „unter den Hammer“. Es sollte hierbei jedoch beachtet werden, dass hierbei in der Regel ein geringerer Erlös herauskommt als bei einem freihändigen Verkauf. Aber auch noch während der Teilungsversteigerung können alle Beteiligten noch versuchen das Haus zu verkaufen. Es bedarf dann jedoch in dem notariellen Kaufvertrag entsprechende Regelungen.

3. Umdeutung eines unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament,

OLG Celle, Beschl. V. 14.03.2024 – 6 W 106/23

Ein gemeinschaftliches Testament ist unwirksam, wenn ein Ehegatte bei Testamentserrichtung testierunfähig war. Eine Umdeutung eines aufgrund Testierunfähigkeit eines Ehegatten unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament des testierfähigen Ehegatten kommt nicht in Betracht, wenn nur der testierunfähige Ehegatte den Wortlaut der letztwilligen Verfügungen eigenhändig geschrieben hat.

Tipp: Zwar kann ein gemeinschaftliches Testament von Ehegatten gemeinschaftlich handschriftlich abgefasst werden und unterschrieben werden. Um die obigen Gefahren jedoch zu vermeiden, bietet sich jedoch auch dann eine notarielle Beurkundung an um zumindest eine testamentarische Verfügung zu retten. Grds. prüft jeder Notar vor der Beurkundung die Geschäfts- und Testierfähigkeit des jeweiligen Erblassers.

4. Anforderungen an die Versicherung des Liquidators bei der Anmeldung des Liquidators einer GmbH,

BGH, Beschl. V. 24.09.2024 – II ZB 15/23

Die vom Liquidator einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach § 67 Abs. 3 Satz 1, § 66 Abs. 4, § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, Satz 3, § 8 Abs. 3 Satz 1 GmbH abzugebende Versicherung muss enthalten, dass er auch in einem anderen Mitgliedstatt der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum keinem Berufs- oder Gewerbeverbot unterliegt, das dem in § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 GmbH G genannten Verbot vergleichbar ist.

Tipp: Durch seine Entscheidung stellt der Bundesgerichtshof nochmals klar, was für die Handelsregisteranmeldung eines neuen Geschäftsführers bereits seit Längerem gilt.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Niehaus

Rechtsanwalt und Notar

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für Verkehrsrecht

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